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halbtote schmetterlinge von Thomas Schädler

halbtote schmetterlinge

Details:

Genre:
Format:
gebundene Ausgabe, Taschenbuch, eBook
Seiten:
188
Distributor:
Tredition
ISBN/ASIN:
978-3-347-41461-7
Bewertungen:
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Klappentext:

Kurz vor fünfzig wird Ambühl mit unheilbarem Prostatakrebs diagnostiziert. Der „Anschlag auf sein Leben“ zieht ihm den Boden unter den Füssen weg und bringt sein kompliziertes Beziehungsgeflecht komplett durcheinander. Die Bedrohung der körperlichen Integrität, des seelischen Gleichgewichts und seiner Schaffenskraft stellt ihn vor schwierigste Herausforderungen, und er schwankt zwischen Verzweiflung, Hoffnung und Offenheit für Neues.

Inhalt:

Während Ambühls Krankheit fortschreitet, wird der Leser durch die folgenschweren medizinischen Behandlungen und ihre erschütternden Auswirkungen auf sein Leben mitgenommen. Konfrontiert mit dem Verlust von Potenz und Libido, reflektiert er über seine Männlichkeit und Sexualität sowie über Liebe, Spiritualität und Tod. Wie durch ein Kaleidoskop blickt der Leser auf das Leben und Schicksal des Protagonisten, den seine Arbeit in viele verschiedene Länder geführt hat. Erinnerungen aus der Kindheit wechseln sich ab mit Szenen aus der Arbeitswelt und Episoden von Liebesbeziehungen. Durch die sowohl alltäglichen als auch tiefgründigen Geschichten, wird Ambühl für den Leser als Mensch mit unterschiedlichsten Facetten greifbar. Kleine und große, bedeutsame und wenig spektakuläre Begebenheiten aus Vergangenheit und Gegenwart verdichten sich zu einem bunten Mosaik, das sein Leben, seine Arbeit und sein Wesen widerspiegelt. Dann wird seine Identität als Mann durch die unvermeidliche Kastrationstherapie komplett auf die Probe gestellt. Auch sein Verhältnis zu seinem privaten und beruflichen Umfeld bleibt davon nicht verschont. Ambühl ist zunehmend unsicher im Umgang mit sich und anderen. Er ist irritiert, fühlt sich fremd im eigenen Körper und empfindet sich bei der Arbeit und im Freundes- und Familienkreis nur noch als Ärgernis. Wenn er realisiert, dass er immer tiefer in eine Welt abrutscht, die er weder verstehen noch kontrollieren kann, verschafft er sich Abstand und sucht Hilfe in einer psychiatrischen Klinik. Der Schutz, die Zeit für sich und die therapeutische Begleitung helfen ihm nur langsam weiter. Erst die tiefgreifende, sinnliche Begegnung mit Naom, einer Transgender Frau, öffnet Ambühl die Tür zu einer neuen Gedankenwelt. Hierdurch gewinnt er eine subtil veränderte Sicht auf seine eigene Situation, seine Vergangenheit und Zukunft. Naom erzählt ihm die Geschichte ihrer Selbstfindung, der Entscheidung zur geschlechtlichen Veränderung und über die Herausforderungen im neuen Leben als Frau. Ambühl fühlt sich angezogen und lässt sich auf diese Beziehung ein. Auf einfühlsame Weise wird berichtet, wie Ambühl allmählich mit sich selbst Frieden schließen kann und wie er den Verlust seiner physischen und psychischen Männlichkeit zu akzeptieren lernt. Die zur Bekämpfung der Krankheit notwendige chemische Kastration erkennt er schließlich als Befreiung von Zwängen und beginnt die dadurch gewonnene Emanzipation von der eigenen Vergangenheit zu verstehen. Er erkennt, dass Lust und Liebe mehr bedeuten, als die Fähigkeit ein erfülltes Sexualleben zu führen. Dass ein Mann mehr ist als seine Potenz. Zusammen mit Theresa findet er neue Stabilität und einen Ort des inneren Friedens. Doch das Fortschreiten der Krankheit stellt das Paar immer wieder vor neue Herausforderungen. Schwerwiegendere Behandlungen und Medikamente werden notwendig und deren Wirkungsdauer wird immer kürzer. Gemeinsam stellen sie sich dieser Berg- und Talfahrt mit ungewissem Ausgang.

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Leseprobe

Unruhe im Herzen, Ordnung in der Werkstatt, pflegte der alte Marchetti zu sagen. Dabei war er gar nicht so alt. Aber die Jungen hatten inzwischen seinen Laden stark verändert und verkauften nun auch Japaner. Darum würde er für Ambühl immer der „alte Marchetti“ bleiben. Er war gebürtiger Italiener und hatte ein Motorradgeschäft aufgebaut, das sich ausschließlich auf traditionelle europäische Marken konzentrierte. Zwei Zylinder sind genug, meinte er, weswegen nur Ducati, Triumph, Moto Guzzis und dergleichen im Laden standen. Er wusste alles zu diesem Thema und lebte in einer innigen Beziehung mit der einfachen, einleuchtenden Mechanik dieser sensiblen, kapriziösen und problemanfälligen Maschinen. Dafür aber hatten sie Charakter, waren rar und zogen bewundernde Blicke auf sich, wenn sie durch die Straßen röhrten. Der alte Marchetti restaurierte und die Jungen kümmerten sich um den Service, Unterhalt und einfachere Reparaturen an den neuen Maschinen.

An der Kasse neben der Eingangstür stand von früh bis spät die Mama. Frau Marchetti kontrollierte das gesamte Geschehen. Sie hatte den Überblick, war stolz auf ihren Mann mit dem kostbaren Fachwissen und den geschickten Händen, trieb die zwei Söhne an, es ihm gleichzutun, und stellte sicher, dass das Unternehmen einträglich blieb. Ihr entging nichts. Schaffte man es, an ihr vorbeizukommen, um die ehrwürdige Werkstatt im hinteren Teil des Geschäfts zu betreten, konnte es passieren, dass Marchetti kurz aufblickte und einen mit einem herzlichen „Ciao Caro“ begrüßte.

Man gehörte dazu.

Mit dem Kauf eines neuen – oder hier restaurierten – Motorrads wurde man in die Familie aufgenommen.

Ambühl nahm einen besonderen Platz ein und wurde nach Ladenschluss öfter noch zu Pasta und Wein in die darüber liegende Wohnung eingeladen. Er war Jahre zuvor einmal Lehrer vom jüngeren Sohn gewesen und hatte manchmal geholfen, schwierige Schulsituationen zu entschärfen. Dafür waren sie ihm dankbar und er wiederum genoss die spezielle Stellung und den Familienanschluss. Das italienische Leben war einfacher und freudiger als alles, was er in seinem Alltag erlebte. Ambühl hatte bei Marchetti schon verschiedene Motorräder gekauft. Er konnte nicht widerstehen, wenn er eines dieser begehrten Prachtstücke vor sich hatte, wohlwissend, dass es zuvor in alle Einzelteile zerlegt worden war, um liebevoll neu zusammengebaut zu werden.

Die Beschäftigung mit Motorrädern, das Restaurieren, Fahren und Pflegen waren für ihn mehr als ein Hobby. Er fand darin Philosophisches, Sinnliches und ein bisschen uneingestandenen Machismo. Ist dies der Ausdruck von neuer Männlichkeit, fragte Theresa, als er wieder einmal aufs Motorrad wollte. Er hatte es seit Beginn der Hormontherapie nicht mehr angerührt.
Ambühl verpasste die Leichtigkeit in ihrer Stimme und den Spaß, mit dem sie lediglich die Schwere aus der trüben Stimmung nehmen wollte, die sich in den letzten Tagen in ihm ausgebreitet hatte.

Er schnappte ein.

Gleich zu Beginn ihrer Beziehung hatte er vergeblich versucht, seine Leidenschaft zu erklären. Für sie waren Motorräder nur laut, unbequem, gefährlich und kalt. Sie weigerte sich, mitzufahren, und ließ ihn nur ungern gehen, wenn er über die Pässe wollte.


Da haben wir's, brauste er auf. Er sei in seinem Zustand wohl nicht mehr gut genug für sie als Mann und sie solle sich doch einen suchen, bei dem alles noch funktioniere. Vielleicht der neue Nachbar, der junge Sportliche, der ihr immer zulächele, wenn sie aus dem Haus trat. Überhaupt könne sie sich gar nicht vorstellen, wie es ihm mit dieser Therapie ginge, und sich über ihn lustig zu machen, sei wohl das Letzte. Theresa erstarrte und meinte erschrocken, er solle nicht so rumschreien. Das sei alles lächerlich, ein Missverständnis. Doch Ambühl konnte sich nicht mehr einkriegen, nahm das Weinglas vom Tisch und schmiss es mit einem Schrei durchs offene Fenster. Das Klirren des zerberstenden Glases und das plötzliche Bellen des Hundes schreckten ihn auf. Er drehte sich zu Theresa um, die leise weinte. Jetzt heule sie auch noch, ging es mit ihm weiter, wo doch er der Einzige sei, der einen Grund zum Weinen habe. Dauernd werde alles verdreht und am Ende sei immer er der Böse, wobei es doch diesmal wirklich klar sei, wer damit begonnen habe. Sie reagierte nicht mehr und Ambühl verzog sich in die Garage.

Erst als ihm der Fahrtwind um die Ohren brauste und er die Geschwindigkeit im Körper spürte, gelang es ihm, klarer zu denken. Die Spirale hörte allmählich auf, sich zu drehen, und in ihrem Zentrum tat sich wieder das dunkle Loch auf, das ihn zu verschlingen drohte. Er hielt an, legte den Helm ab und zog die Handschuhe aus. Hormongeplagter, rasender Ritter bittet eingesperrtes Burgfräulein um Verzeihung, textete er Theresa aufs Handy und dachte, das sei lustig. Die zwei blauen Häkchen ließen lange auf sich warten und es dauerte danach mehrere Tage, bis sie seine hingemurmelte Entschuldigung halbwegs akzeptierte.

Es gab keine Erklärung und nur Traurigkeit blieb zurück.

---

Er war langsam. Ein Schweizer eben, sagte Theresa, aber dafür auch gründlich. Was ist dir lieber, ein langsamer und gründlicher Liebhaber oder ein schneller, oberflächlicher, fragte Ambühl. Es hat beides seinen Reiz, meinte sie und lachte.

Die chemische Kastration oder Hormonentzugstherapie, wie sie wissenschaftlich entschärfend genannt wird, machte ihn noch schwerfälliger und bedächtiger, als er sowieso schon war. Seit jeher galt er als ruhig und besonnen. Besonders in seinem beruflichen Umfeld schätzten Kollegen, Schüler und Eltern die sorgfältige und präzise Arbeitsweise. Beim Umgang mit Problemen und Schwierigkeiten ließ er selten Hektik aufkommen und vermittelte stets das Gefühl, alles sei lösbar. Das war hilfreich.

Auch etliche Frauen fanden diesen Teil seiner Persönlichkeit attraktiv. Mehrere seiner Liebesbeziehungen hatten auf dieser Basis begonnen, andere entwickelten sich so, dass dies am Ende das einzige Verbindende blieb. Zu wenig, um gemeinsam durchzuhalten.

Dabei hegte er einst den Traum, Tänzer zu werden. Er bewunderte die klassischen Tanzpaare, wie sie mit Eleganz und Leichtigkeit über das Parkett glitten und dabei den Eindruck vermittelten, federleicht zu schweben. Sie schienen die schwierigen Figuren und Verrenkungen nicht zu genießen. Mit eingefrorenem Lächeln im Gesicht demonstrierten sie ihre Entschlossenheit, die physikalischen Gesetze dieser Welt fließend zu überwinden. Richtig eifersüchtig war er auf die Salsa-Tänzer, die in den neu eröffneten Clubs der Stadt in letzter Zeit vermehrt aufgetaucht waren. Sie machten ihm das Leben schwer. Die vielen schönen Männer, die mit getanzter Erotik die Grenze zwischen rhythmischer Bewegung und öffentlichem Sex zum Verschwinden brachten. Das konnte Ambühl nicht. Der irrationale Traum der Auflösung seiner eigenen Biomasse im Tanz konterkarierte das, was er wirklich war. Er konnte nur im Kopf tanzen. In allen Variationen, zu jedem Thema und in verschiedensten Rhythmen. Das war vor der Behandlung.

Der kastrierte Mann verliert seine Libido. Von Hitzewallungen und Gefühlsschwankungen hatte der Chirurg gesprochen, aber nicht vom Verlust der gesamten Sexualität. Einzig Dr. Grichtig hatte theoretisch und förmlich versucht, ihn ein wenig vorzubereiten. Doch das hatte Ambühl verdrängt. Mit der zunehmend freigesetzten Wirkung der Behandlung fiel, taumelte und stolperte er förmlich in dieses völlig andersartige Dasein. Ohne körperliche Lust und Begierde, ohne jede Empfindung von erotischer Lust, Leidenschaft und Sinnlichkeit schaute er sich erschrocken um und tastete sich ängstlich vorwärts. Es war unmöglich, zu erklären und zu beschreiben, was mit ihm geschah. Seine Freunde hörten teilnahmsvoll zu, stellten Fragen, hakten nach, schüttelten den Kopf und nickten, aber er merkte, dass das Geschehen nicht zu vermitteln war. Er suchte nach Vergleichen und Metaphern: Essen ohne Hunger, Klang ohne Musik, Museum ohne Bilder und dergleichen gingen ihm durch den Kopf. Nichts passte im Geringsten, entsprach dem, was Ambühl wirklich spürte und durchmachte.

Der Autor

Thomas Schädler wurde 1959 in Zürich geboren. Nach der Ausbildung zum Lehrer arbeitete er mehrere Jahre mit Migrantenkindern, bevor er die Schweiz in Richtung Singapur verließ. Während über dreißig Jahren arbeitete er als Leiter von Bildungseinrichtungen in Ländern Asiens, Europas und der Karibik. Dazwischen absolvierte er zwei Masterstudiengänge in England und den USA. Seit 2019 lebt er in Berlin und Südfrankreich.

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